Wir, mein Mann unsere drei Söhne und ich, sind 2005 von Deutschland nach Neuseeland ausgewandert. Hahaha, und damit könnte ich auch schon wieder den Artikel schliessen, weil das sagt schon alles…. Alles? Was ist alles? Beinhaltet das die unbeschreibliche Freude, die man empfindet wenn man endlich seinen Stempel im Reisepass hat, die schier unerträgliche Spannung in der Zeit davor, das Einleben mit seinen ganzen Facetten, das Loslassen und Frieden schliessen befor man sein Ursprungsland überhaupt verlässt? Ja, das sagt dieser eine Satz aus, aber das wissen nur diejenigen, die schon mal durch die Prozesse der Aus- und Einwanderung gingen.

Ausgewandert nach Neuseeland

In meinen privaten wie auch beruflichen Begegnungen (und die sind häufig, da Neuseeland ein typisches Einwanderungsland ist) mit Einwanderern hier in Neuseeland ist es mir aufgefallen, dass diejenigen die sich am wenigsten vorbereitet haben, die größten Schwierigkeiten haben.

„Echt? Erzähl mir was Neues!“, denkt ihr jetzt vielleicht. Mach ich ja! Ich denke da weniger an die technischen Details, um die sich jeder kümmern muss, sei es vor oder nach der Einwanderung. Um es auf eine ganz einfache Formel zu reduzieren: Frieden machen, Loslassen, Flexibilität und Offenheit sind die Schritte, die man meiner Meinung nach absolvieren muss.

So oft hab ich Leute kurz vor der Aufgabe gesehen, weil sie sich nicht die Zeit genommen haben ihren Frieden zu machen mit dem Land aus dem sie stammen. Viele denken, Flexibilität ist nicht notwendig, da keine Sprachbarriere herrscht oder der kulturelle Hintergrund derselbe ist. Offen sein für all das Neue und Wunderbare geht auch nur, wenn man vorher Platz geschaffen hat, also losgelassen hat. Ihr nehmt euren Schatz von Erinnerungen mit, aber wenn die Erinnerungen emotional noch so wichtig im Vordergrund stehen kann sich die neue Erfahrung vor euch abstrampeln so viel sie will, ihr könnt sie nicht annehmen. Und es braucht Zeit! Lasst euch mindestens 2 Jahre für die Einwanderung. Für uns fühlen sich manche Dinge immer noch ungewohnt an und das obwohl wir mittlerweile neuseeländische Staatsbürger sind, wir haben tatsächlich die doppelte Staatsbürgerschaft, und da bin ich unglaublich stolz darauf.

Für uns war es nie zur Debatte gestanden, ob wir zurück gehen nach D. Neuseeland war ein ganz tiefer Traum, den wir uns verwirklichten und für mich fühlt es sich an, als ob ich endlich zu Hause angekommen bin. Trotzdem ist die Zeit der Eingewöhnung nicht leicht, und ich denke da hadern viele daran. „Jetzt bin ich da wo ich hin wollte, hab alles geregelt, ich sollte mich eigentlich gut fühlen, tu ich aber nicht! Ich fühl mich echt sch…. lecht. Am besten ich geh wieder zurück, das kenn ich schon, da hab ich mich zwar auch nicht gut gefühlt, aber da weiß ich wenigstens dass ich mich nicht gut fühl.“ Haltet durch, ihr geht durch einen normalen Prozess. Das ist wie Eltern werden, endlich ist das Wunschkind unterwegs und nach vielen Monaten hält man es dann in seinen Armen und alles sollte wunderbar sein, und trotzdem haut einen manchesmal die Ungewissheit fast um. Da sagt auch keiner, ach hätt ich nur nicht!

Eine kleine Anekdote zum Schluss zum Thema Sprache: Mein Mann war schon für einige Monate in Neuseeland bevor die Jungs und ich ankamen. Wir sind dann feierlich an Heilig Abend in Wellington angekommen und haben die ersten Wochen mit jetlag, halbwegs einrichten in einem leeren Haus mit der mitgebrachten Campingausrüstung und und und … verbracht. Nun muss man wissen, dass nur weil man verheiratet ist, keine Bank, Versicherung oder Behörde beiden Partnern automatisch Zugang zu den jeweiligen Konten erteilt. Das muss ausdrücklich von beiden Seiten erlaubt werden!

Gerade mal 8 oder zehn Tage nach unserer Ankunft sollte ich nun meine Zustimmung am Telefon geben, dass mein Mann und ich Zugriff auf was-auch-immer-für-ein-Konto-das-war haben. Soweit so gut, die wirklich freundliche, aber sehr schnell sprechende Neuseeländerin am anderen Ende des Telefons hat mich nun ständig gefragt, ob ich „happy“ bin. Ich bin beinahe in Tränen ausgebrochen, weil ich beim besten Willen nicht verstand, warum das jetzt so wichtig ist, dass ich auch noch glücklich bin, meine Einverständniserklärung sollte doch genug sein und nach der hat sie gar nicht gefragt! Armes Mädel konnte nicht ahnen, dass ich nicht verstand, dass sie das machte eben nur in ihrer höflichen Kiwi-Art. Heute muss ich darüber lachen, weil mein Sprachenverständnis natürlich ein anderes ist.

Die Details sind tricky aber geben genug Stoff für Geschichten, die ihr dann euren Enkeln erzählen könnt. In welcher Sprache? …das dürft ihr euch noch überlegen.

Auswanderin Angela Thie Angela ist mit Ihrer fünfköpfigen Familie nach Neuseeland ausgewandert. In dieser Artikelserie berichtet die gebürtige Deutsche von Ihren Erfahrungen von der Auswanderung selbst und dem Leben bei den Kiwis.