Über den Aufruf „Gastautoren gesucht“ hat sich Anne bei Auswandertips.com gemeldet und wir haben Sie in einem E-Mail Interview zu ihrer Auswanderung nach Paraguay befragt.

Anne ist mit ihrer Familie von nunmehr einem Jahr ins ferne Paraguay ausgewandert und möchte mit ihrem Bericht über die Auswanderung nach Paraguay die Informationen auf unserer Seite zum Auswanderungsziel Paraguay durch aktuelle und noch „frische“ Erfahrungen ihrer Auswanderung ergänzen.

Eine Auswanderin im Interview über ihre Auswanderung nach Paraguay

„Unser neues Leben in Paraguay“ von Auswanderin Anne.

Wer wir sind?
Wir,  Anne, Wulf und unser Junior Franz, sind eine Patchworkfamilie aus Deutschland.  Wir Auswanderin Anne im Interview über ihre Auswanderung nach Paraguaykannten uns zum Zeitpunkt der Auswanderung gerade einmal 1 Jahr und 9 Monate, waren 7 Monate verheiratet und  hatten auf Grund unserer beruflichen Aufgaben nur eine Wochenendbeziehung geführt. Ich, Anne, war Angestellte, Wulf arbeitete selbständig als Vermessungsingenieur im 200 Kilometer entfernten Berlin. Unser Familienleben war auf die Zeitspanne von Freitagabend bis Montagmorgen reduziert und kaum eine Chance für uns an diesem Zustand in absehbarer Zeit etwas zu ändern. Wer von uns beiden sollte den Schritt gehen und seinen Job aufgeben und zum anderen ziehen? Und dann kam uns die verrückte Idee. Warum sollen nicht beide in einem anderen Land nochmal ganz neu beginnen?  Zumal uns die politische und wirtschaftliche Situation in Deutschland zusätzlich unzufrieden stimmte.

Auswandern: Ja. Aber wohin ?
Ich hatte in den vergangenen Jahren schon einige interessante Länder und Kontinente als Individualtourist bereist, die mich alle fasziniert hatten.

Auswandern nach Namibia – mein absolutes Traumland, fantastische Landschaften, unberührte Natur, vielfältige Tierwelt – aber: politisch instabil, Einwanderung für Europäer sehr kompliziert und vor allem viel zu teuer.

Auswandern nach Vietnam – (hierhin flogen wir zu unserem ersten gemeinsamen Urlaub – mit Rucksack und per Bus und Motorrad fast 2000 Kilometer im Land unterwegs). Ein wunderschönes, exotisches Land, nette, unheimlich fleissige Menschen, tolle Landschaften und Strände, quirlige, aufregende Städte – aber:  schwierige Einwanderungsbestimmungen, Landerwerb für Europäer nicht möglich und die Vietnamesen können alles und sie können alles besser als wir Deutschen (und das meine ich wörtlich und nicht ironisch!)

Auswandern nach Venezuela – tolles Land aber dank Papi Chavez als Auswanderungsland gar nicht erst in der engeren Wahl.

Bürokratische Hürden?
Nachdem wir uns über Paraguay ausführlich in Internet und verschiedenen Ratgeberbüchern informiert hatten, planten wir einen gemeinsamen Urlaub im Land und im Anschluss daran stand unser Ziel fest .

Die Einwanderung nach Paraguay
Die Einwanderung hierher ist denkbar einfach : Man muss für eine Daueraufenthaltsgenehmigung (Cedula) neben gültigem Reisepass, Geburts- und Heiratsurkunde ein vom Justizministerium überbeglaubigtes polizeiliches Führungszeugnis besitzen. Diese Papiere müssen übersetzt, in der Paraguayischen Botschaft beglaubigt und den Behörden hier im Land innerhalb von drei Monaten vorgelegt werden. Wenn – wie bei uns – eine Kind aus einer vorherigen Beziehung mit auswandern soll, muss ein Gerichtsurteil über das alleinige Sorgerecht des auswandernden Elternteiles vorhanden sein.

Des weiteren müssen 5.000 Dollar aus einem Bank- oder ähnlichem Konto als Nachweis der finanziellen Unabhängigkeit eingezahlt werden. Dieses Geld kann allerdings sofort nach Erledigung aller Formalitäten wieder abgehoben werden.  Für die Amtswege gibt es hier im Land Einwanderungshelfer, die ihren Kunden beim Weg durch den Behördendschungel mehr oder weniger kompetent helfen.

Zweifel oder Bedenken ?
Nein, ich denke, die gab es zumindest bei mir nie – Wulf ist da etwas konservativer, er brauchte etwas mehr Bedenkzeit, hat sich dann aber auch 100%ig in die Sache gestürzt. Franz war von Anfang an begeistert, wäre am liebsten gar nicht erst nach dem Urlaub nach Hause geflogen

Die Vorbereitung :
Neben der Beendigung der beruflichen Verpflichtungen mussten Wohnungen aufgelöst, Angebote für Umzugscontainer eingeholt, alle mitreisenden Sachen seesicher verpackt, Familie und Freunde informiert und das neue Leben in Südamerika vorbereitet werden. Dabei hatten wir ein Riesenglück weil wir im Internet ein Angebot für ein tolles Haus mit einem Riesengrundstück in genau der von uns gewünschten Region entdeckten. Eigentlich stand das Haus zum Verkauf aber wir konnten die deutschen Besitzer überzeugen, uns das Anwesen zu einer akzeptablen Miete zu überlassen.

Das erste Jahr :
Rückblickend sind wir sicherlich naiv an die ganze Sache herangegangen. Wir konnten kein einziges Wort Spanisch, von der Landessprache Guarani ganz zu schweigen. Wir hatten uns nicht überlegt, dass unsere einheimischen Nachbarn uns vielleicht als fremde Eindringlinge strikt ablehnen könnten. Wir hatten uns nicht ausreichend über die Risiken bei Krankheit, Unfall oder gar einem kriminellen Überfall informiert. Wir waren uns nicht bewusst, dass es hier im Land jede Menge zwielichtige Einwanderer gibt, die sich wie Fliegen auf jedes neu hinzukommende naive Opfer stürzen, um es auszunehmen. Wir hatten nicht ausreichend erfragt wie die Bildungs- und damit Zukunftsaussichten für unseren Junior hier im Lande aussehen . Und ob er hier in der neuen Umgebung überhaupt Freunde finden würde. Und und und…

Wir haben viel Glück gehabt. Wir wurden nicht krank, hatten keinen Unfall, wurden nicht überfallen. Unsere neuen deutschsprachigen Bekannten haben uns nicht betrogen. Unsere Paraguayischen Nachbarn akzeptieren uns, sie lernen mit uns gemeinsam spanisch und deutsch, wir feiern gemeinsam, besuchen uns fast täglich gegenseitig zu einem nachbarschaftlichen Schwatz. Wir haben für unseren Franz eine Schule gefunden, in der er intensiver und begeisterter als in Deutschland lernen kann.  Er hat neue Freunde, allesamt Paraguayos, die ihn als einen der ihren akzeptieren.

Aber wie gesagt, wir hatten verdammt viel Glück…

Unsere Lebensverhältnisse, unser Status :
Dazu müsste man erst einmal definieren, was man darunter versteht. Für den einen ist es ein dickes Auto, Geld, für den anderen ist es Glück in der Familie, für den nächsten Erfolg und Einfluss.

Wer nicht bereit oder in der Lage ist, sich – zumindest zeitweise – einzuschränken, ist als Auswanderer sicher in den meisten Fällen zum Scheiteren verurteilt. Es fehlt immer irgendetwas: Das heimatliche Brot, die Wurst, die Ordnung, die Pünktlichkeit, die zuverlässige Stromversorgung, die Fernwärme in den kalten Wintermonaten, das umfangreiche Angebot im Supermarkt…

Wir waren uns genau bewusst, dass wir uns hier einschränken müssen, sowohl was das vorhandenene Angebot angeht, als auch bei unseren persönlichen Finanzen. Ich betrachte dieses Einschränken aber als eine Bereicherung unseres Bewusstseins. Wir können uns wieder viel mehr über Kleinigkeiten freuen, leben viel bewusster und weniger oberflächlich. Besonders für unseren Junior ist das eine ganz besondere Lebenserfahrung, die ihm in Europa möglicherweise nie so zuteil geworden wäre. Unser Leben ist eindeutig lebenswerter geworden.

Auswandern nach Paraguay ?
Auszuwandern ist in jedem Fall eine gewichtige Entscheidung und ich will mich nicht anmassen, anderen Ratschläge zu erteilen.  Deswegen sind die folgenden Punkte auch nur als meine rein subjektive Meinung anzusehen.

  • Die Entscheidung Auszuwandern sollte unbedingt von allen Familienmitgliedern gleichermassen mit getragen werden.  Besonders Kinder sollten nicht gegen ihren Willen oder über ihren Kopf hinweg aus ihrem gewohnten Umfeld, ihrer Heimat gerissen werden.  Der Traum eines einzelnen wird ganz schnell zum Alptraum für alle Anderen.
  • Es gibt nicht wenige, die auswandern weil sie glauben, in einem neuen Umfeld die kriselnde Partnerschaft kurieren zu können. Das funktioniert nicht ! Im Gegenteil, die neuartigen Belastungen, Probleme und Umstellungen geben einer instabilen Beziehung schnell den Rest. Man mag nicht glauben wie viele Paare in unserem engeren Umfeld über eine Trennung nachdenken. Auch wir haben einige ganz ernste Krisen durchgemacht – zum Glück haben wir sie gemeistert.
  • Wer meint, im Ausland  immer wieder auftretende Probleme mit seinen Mitmenschen lösen zu können, wird auch meist enttäuscht. Die meisten Probleme liegen in den einzelnen Personen selbst begründet und werden von ihnen mit über den  Ozean genommen. Vor sich selbst fliehen funktioniert nicht.
  • Der gesunde Menschenverstand sollte das Mass aller Dinge sein. Verlasst euch nicht auf andere, seid nicht vertrauensseelig. Nicht zu unterschätzende Gefahren im Ausland lauern in der Gestalt von „selbstlosen Helfern“.
  • Viele Auswanderer können es nicht abwarten, in der neuen Heimat Grundstück und Haus zu kaufen. Meist viel zu teuer, von niederer Qualität, in mieser Lage. In Paraguay gibt es Land und Häuser in Hülle und Fülle. Binnen kurzer Zeit erhält man aus allen Richtungen Angebote der verschiedensten Kategorien und Preisklassen. Ich würde jedem raten, erst einmal eine Zeitlang zur Miete zu wohnen, ehe man sich endgültig zu einem Immobilienkauf entschliesst. Besonders in Paraguay gibt es viel mehr Kriterien, die dabei zu beachten sind als in Europa: Wie weit ist das Objekt vom Asphalt entfernt, kann ich auch nach tagelangen Regenperioden mein Grundstück mit dem Auto erreichen, oder noch schlimmer : versinkt vielleicht mein ganzes Grundstück samt Haus in einem uferlosen Sumpf. Wie ist die Infrastruktur, wie die Nachbarschaft (der Paraguayer feiert gern und das mit lautstarker Unterstützung bassgewaltiger Musikboxen), wie ist die Sicherheitslage in der Region usw. Auch die Rechtslage bei einem Immobiliengeschäft ist hier für einen Neuling recht undurchsichtig und es gibt  einige, die viel Lehrgeld dabei gezahlt haben.
  • Noch ein wichtiger Tipp an meine Geschlechtsgenossinnen: Seid selbstbewusst, versteckt euch nicht hinter euren Männern und überlasst ihnen nicht alles Handeln ! Traut euch ans Autofahren,  knüpft eigene Bekanntschaften, sucht euch Aufgaben ! Seid in Sachen gemeinsames Geld nicht zu vertrauensseelig, besteht darauf Kontovollmachten zu erhalten und Unterschriften leisten zu dürfen. Paraguay ist ein exotisches Land mit exotischen Frauen. Für viele dieser Frauen ist ein europäischer Mann ein Traum, für den sie sich ohne Rücksicht auf die rechtmässig Angetraute richtig ins Zeug legen können – und Männer werden dabei gern einmal schwach.  Nicht wenige „mitgebrachte“ Ehefrauen sind dabei schon auf der Strecke geblieben  und im schlimmsten Fall kommt dann zu dem emotionalen Desaster noch das finanzielle hinzu.

Resumé: Ein Jahr in Paraguay
Nach einem Jahr in Südamerika können wir wohl sagen, wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Unser Leben ist weit weniger stressig aber keineswegs langweilig  geworden.
Ob Paraguay die letzte Station in unserem Leben ist, können wir heute noch nicht sagen – fest steht aber, dass wir ganz sicher nicht wieder dauerhaft zurück nach Deutschland gehen werden.

Herzlichen Dank für deinen Bericht Anne!